Frühstücksbrote

Nach dem letzten Beitrag fragen sich sicher einige, wie denn meine Schulzeit verlaufen ist, dass ich solch harte Bandagen bekommen habe. Nun meine Schulzeit in Hürth in der Grundschule verlief….wie soll ich es ausdrücken…nicht ganz reibungslos.

Meine Mutter musste meinen 5 Jahre jüngeren Bruder versorgen und dementsprechend musste ich nach einmaliger Begleitung jeden Morgen alleine zur Schule gehen und auch wieder zurück. Wäre die Schule so schlau gewesen einen zweiten Ein- und Ausgang hinter der Schule am Zaun zu unserem Wohngebiet einzurichten, wär ich in ein paar Minuten in der Schule gewesen. So jedoch dauerte dieser „Rundwanderweg“ satte 20 Minuten.

Jeden Morgen musste ich durch die Durchfahrsperre den Schulhof betreten und freute mich auf den neuen Schultag…..bis er mir begegnete. Ich weiss nicht, wie er mich entdeckt hat und warum er der Meinung war, ich sei ein geeignetes Opfer…..doch die Wahl seiner Ausbeutungsversuche fiel nunmal auf mich.

Meine Mutter machte mir jeden Morgen ein Brot und gab mir einen Apfel mit in einer schönen Brotdose. In der Schule bekamen wir Milch oder Kakao dazu. Die Brotdose hatte ich sicher verstaut in meinem schönen Ranzen und stiefelte wie jeden Morgen Richtung Schule. Von weitem konnte ich an diesem Morgen einen sehr großen blonden Jungen sehen, den ich mit den Schülern aus einer vierten Klasse mal auf dem Schulhof gesehen hatte. Er war also ein Viertklässler und kein I-Dözchen wie ich. Der Blondschopf stand an der Durchfahrsperre zum Schulhof und zuerst mal dachte ich, der wartet auf einen Freund.

Pustekuchen. Der wartete auf mich. Er versperrte mir den Weg, sah gehässig auf mich runter. „Gib mir dein Pausenbrot sonst verhaue ich dich.“ Ich sah ihn trotzig an und meinte: „Das ist mein Pausenbrot, lass dir von deiner Mutter eines machen.“

Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, doch er stellte sich mir in den Weg und gab mir eine Ohrfeige. Mein Gesicht brannte und mit Tränen in den Augen gab ich ihm mein Brot. Den Apfel nahm er mir nicht weg. Das war nur Obst. Dann ließ er mich vorbei.

Den ganzen Tag über konnte ich mich in der Schule kaum konzentrieren. Ich überlegte krampfhaft, ob das eine einmalige Geschichte sein würde oder ob das jetzt öfter passieren würde. In der Pause suchten meine Augen nach ihm und ich hielt mich weitestgehend von ihm fern. Aber ich merkte, dass er mir nachsah.

Das schien nicht so lustig zu werden hier in der Schule.

Von diesem Tag an wurde das eine Wiederholungsgeschichte. Jeden Morgen wartete der Blonde auf mich an der Durchfahrsperre, verlangte mein Brot und knallte mir eine, wenn ich das nicht freiwillig rausrückte.

Nach einem Monat wurde mir das echt zu blöde. Ich suchte hinter der Schule nach einem anderen Weg, fand ein Loch im Zaun, kletterte da durch und schon stand er wieder vor mir und verlangte mein Frühstück.

Ich wär wahrscheinlich ewig ohne Frühstück in der Schule geblieben, wenn mir nicht nach drei üblen Monaten der Gedanke gekommen wäre, dass das so einfach nicht weiter gehen konnte. Inzwischen hatte ich eine heftige Abneigung gegen blonde Jungs entwickelt, die sich übrigens bis über meine Teenagerzeit gehalten hat (keiner meiner Freunde war jemals blond). 😂

Eines Morgens wachte ich auf, ich war wütend. So wütend, dass ich mir meinen Ranzen über die Schulter warf und meine Mutter mir erschrocken hinterher sah.

Ich stampfte zur Schule. Es reichte mir endgültig.

Ich kam vor dem Schulhof am Parkplatz an und da sah ich ihn schon, dieses häßliche blonde Dickerchen, der wieder an der Durchfahrsperre wartete um mein Pausenbrot zu kassieren. Mir war klar dass ich ewig weglaufen musste, wenn ich das Problem nicht alleine bewältigt bekam. Ich hatte keine Lust mehr von diesem Idioten malträtiert zu werden. Also ging ich auf ihn zu. Ich sah nicht mehr zu Boden, ich blickte ihm in die Augen während ich auf ihn zuging.

„Los, gib mir dein Brot“, sagte er.

„Nein“, meinte ich nur. Ich trug meinen Ranzen auf dem Rücken. Er kam auf mich zu und ich sprang an ihm hoch, wickelte meine Beine um seine Hüfte und griff in seinen blonden Haarschopf und bekam ein ganzes Haarbüschel zu greifen. Mit der anderen Hand verstärkte ich meinen Griff und liess mich mit meinem ganzen Gewicht runter auf den Boden fallen ohne sein Haarbüschel loszulassen. Das hatte ich dementsprechend dann auch noch in den Händen als ich am Boden lag und hörte, wie der Blonde vor Schmerz winselte. Ich schüttelte die blonden Überreste seines Haarbüschels auf den Boden, streifte meine Hände an meinem Rock ab und sagte: „Lass mich durch.“

Winselnd und mit einer 5-Mark-Stück großen kreisrunden Wunde am Kopf und blutend ließ er mich durch. Das war das letzte Mal, dass mir irgendwer mein Pausenbrot abgezogen hat. Er hat mich übrigens bis zum Ende seiner Grundschulzeit auf dem Schulhof immer gemieden. Ich denke er hat seine Lektion gelernt….so wie ich meine. 😂

Ja, es hätte vielleicht geholfen die Erwachsenen um Hilfe zu bitten. Aber zu dem Zeitpunkt hatten Eltern noch nicht diese Helikopter-Ideologie. Da musste man sich selbst durchwurschteln. Wenn du Prügel bekommen hast, dann hieß es einfach: „Wehr dich.“ Das habe ich getan.

Danach war ich jedenfalls davon überzeugt, dass ich mir selbst helfen konnte und das war gut so.

Gewalt in der Grundschule meiner Tochter

Ein Thema, das viel zu oft verschwiegen und noch häufiger verharmlost wird. Heute erzähle ich euch eine Begebenheit an der Grundschule meiner ältesten vier Töchter, das ist jetzt ca. 24-25 Jahre her. Die Namen der Beteiligten habe ich bewusst verändert, damit mich nicht nachher einer verklagt. Die beteiligten Personen werden sich sicherlich in den Schilderungen wiedererkennen 🤣

Meine Älteste muss in der zweiten bis dritten Klasse einer Grundschule im Rhein-Erft-Kreis gewesen sein. Diejenigen, die mich kennen wissen welche Schule ich meine. Meine Tochter kam weinend am Mittag nach Hause. Es war Betreuung von 8-13 Uhr und ich wunderte mich schon dass sie so spät kam. Sie trödelte immer ein bisschen aber das war heute deutlich mehr Trödelzeit.

Conny erzählte mir, dass in der Schule ein marokkanischer Junge namens Rotzlöffel (du weisst dass du gemeint bist R.) ihr in der Klasse eine Plastiktüte über den Kopf gezogen hat und ihr niemand geholfen hat. Sie bekam nur noch mit Mühe Luft, bis sie sich endlich befreien konnte.

Der Rotzlöffel bekam ein „Du-du-du“ von der Lehrerin Obergeduldig-Lustlos und das war dann auch der ganze Handlungsrahmen, zu der die Schule in der Lage war.🤬

Ich rief also in der Schule an und verlangte einen Termin mit dem Rotzlöffel, seinem Vater, meiner Tochter und mir vor der Schulleiterin Frau Überhauptnichtrespekteinflößend und bereitete mich seelisch darauf vor. Heisst, ich kochte auf ziemlich hoher Flamme bis zum Termin. Wenn ich koche, dann führe ich Selbstgespräche solange, bis ich das Thema ausreichend mit mir selbst diskutiert habe 😂

Ich bin bei Gewalt unter Kindern nicht freundlich, nicht geduldig und erst recht nicht christlich eingestellt. Ich wollte, dass das eine Konsequenz hatte und zwar eine, die der Bengel spürte.

Der Termin kam, ich ging mit meiner Tochter ins Büro der Rektorin, wo schon der Vater mit Rotzlöffel vor der Tür wartete und wir betraten gemeinsam das Büro und setzten uns an einen runden Tisch. Ich weiß nicht zu welchem Zeitpunkt die Menschen angefangen haben Angst zu bekommen vor Menschen mit Migrationshintergrund, mich nervt das nur. Dieses Gefühl kenne ich nicht und ich habe auch nicht vor mir dieses anzueignen.

Frau Überhauptnichtrespekteinflößend schilderte etwas ängstlich, dass ich um diesen Termin gebeten hätte und ich ein Problem mit einer Auseinandersetzung unserer beiden Kinder hätte.

Ich fiel ihr ins Wort. Diese blümerante Umschreibung des Vorfalls gaben nicht im geringsten wieder, was ich empfand. Ich sah dem Rotzlöffel ins Gesicht und sagte ihm, dass ich sein Verhalten unmöglich finde, weil er meiner Tochter gegenüber gewalttätig war und ihr Leben riskiert hatte.

Frau Überhauptnichtrespekteinflößend fuhr mir dazwischen, dass er das bestimmt nicht so gemeint hätte und es wäre ja nichts passiert. Ich blitzte sie an und meinte: „Das nix passiert ist, war aber nicht der Verdienst der Lehrerin sondern ist nur der Tatsache geschuldet, dass meine Tochter sich endlich befreien konnte, nachdem sie fast erstickt wäre.“

Ich sah den Vater vom Rotzlöffel an und sagte mit fester Stimme: „Ich hoffe für Sie, dass das der letzte Vorfall dieser Art war. Denn beim nächsten Mal, wenn ihr Sohn gegenüber meiner Tochter gewalttätig ist, dann komme ich und knalle Ihnen eine für jede Tat gegenüber meinem Kind. Und wenn ihnen das nicht reicht, dann kommt mein Mann, der ist LKW-Fahrer, mit der Zugmaschine in das Wohngebiet und fährt mal vorwärts-rückwärts über den schicken silbernen Mercedes, den sie fahren. Haben Sie das verstanden?“

Frau Überhauptnichtrespekteinflößend schlug die Hände über dem Kopf zusammen und kreischte: „ Frau Heeg (so hieß ich damals noch) sowas können sie doch nicht sagen. Das sind Marokkaner, die haben Familien.“ Ihre Stimme hörte sich an wie eine verstimmte Violine.

Ich grinste sie funkelnd an: „Und wer sagt ihnen, dass ich keine Familie habe? Ich habe 11 Tanten und Onkel, 30 Cousins und Cousinen und mein Mann hat 5 Geschwister und eine noch größere Sippe. Woher wollen Sie wissen, mit wem Sie sich hier anlegen?“

Ich sah den Vater vom Rotzlöffel an der ebenso grinste und er meinte: „Ich werde mit meinem Sohn zuhause reden, das kommt nicht nochmal vor.“

Die beiden verliessen den Besprechungsraum nachdem wir uns angemessen und respektvoll die Hand zum Abschied gegeben haben.

Frau Überhauptnichtrespekteinflößend sah mich erschrocken an und meinte dann, um mir noch einen verbalen Schlag zu versetzen: „Frau Heeg, ich bin entsetzt. Sie hätten sich so nicht verhalten müssen……Außerdem ist ihre Tochter…ein…ein…Opfertyp. Die zieht sowas an weil sie sich soooo verhält.“

Ich holte tief Luft und merkte, wie mir die Ader am Kopf anschwoll.

„Meine Tochter ist ein Opfertyp? Sie wollen damit sagen, dass sie selbst schuld ist, wenn ihr sowas passiert?“

Ich ging einen Schritt auf die Rektorin zu und meinte nur leise zischend: „Nun, ich glaube nicht, dass Sie den Wunsch haben nachzuempfinden, wie sich ein Opfer fühlt. Deshalb rate ich Ihnen zukünftig mit solchen Äußerungen über meine Tochter sehr vorsichtig zu sein. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche Frau Überhauptnichtrespekteinflößend.“

Die Rektorin zuckte zurück und sah mich erschrocken an. Ich reichte ihr nicht die Hand. Mir war nicht danach. Ich war so wütend, ich war auf 180.

Ein paar Jahre später traf ich den inzwischen sehr hübschen Rotzlöffel im Gemeinschaftsschwimmbad der Wohnanlage und er meinte nur: „Mein Vater hat mir damals so den Ar….. versohlt, dass ich drei Tage nicht sitzen konnte.“

Das soll keine Anleitung dafür sein, mir das nachzumachen……es ist nun mal so geschehen. Wenn man solche Sprüche, wie ich, bringt…dann muss man sich darüber klar sein, dass man auch mal auf ein unbequemes Echo stossen kann und dabei vielleicht ein Veilchen riskiert. Das ist mir nie passiert…..obwohl mein Vater mich immer gewarnt hat, dass mir mal jemand begegnet, der mir eine reinhaut…..(bis heute noch nicht Papa) aber man geht das Risiko ein.

Bei mir hat es nur dazu geführt, dass es Menschen gab, die respektvoll grüßten, wenn sie mich sahen. Sowas macht halt schnell die Runde.

Was mich jedoch daran echt extrem geärgert hat, war die Tatsache, dass Gewalt in einer Grundschule geduldet wurde, damit die LehrerInnen sich selbst keiner Gefahr aussetzen mussten. Die haben nicht die Kinder beschützt. Da ging das Eigenwohl vor dem Gemeinschaftswohl.

Was ich daraus gelernt habe? Du darfst nicht zulassen dass deine Kinder Gewalt an Schulen erfahren. Du darfst das nicht verschweigen. Du musst dich mit aller Macht gegen Gewalt auflehnen. Immer, wenn ich sowas gemacht habe, haben danach Eltern ebenfalls Mut gezeigt und sich über Gewalt gegen ihre Kinder beschwert. Plötzlich hagelte es Anzeigen, weil ich vorgerannt bin und Anzeige erstattet habe. Man muss dabei nicht immer so ausfallend werden, wie ich an dem Tag vor 25 Jahren……ich habe auch später gelernt nicht gleich immer mit Gegengewalt zu drohen 😂

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